Cora Hintze hat ihren Weg in die Tech-Branche eher zufällig entdeckt – doch genau diese Offenheit für Neues hat ihr viele Türen geöffnet. Heute arbeitet sie in einem Startup innerhalb der Charité, wo sie Strukturen aufbaut, Prozesse optimiert und sich mit regulatorischen Anforderungen für Medizinprodukte beschäftigt. Im Interview spricht sie über ihren Quereinstieg in die IT, die Vorteile der Startup-Kultur und warum Netzwerke und Mentoring besonders für Frauen in Tech entscheidend sind.
Das ITgirl im Profil
Name: Cora Hintze
Position: Product / Operations Management
Unternehmen: dotbase medical GmbH
Was hat dich dazu inspiriert, Wirtschaftsinformatik zu studieren, und wie hat dir diese Mischung aus Betriebswirtschaft und Informatik geholfen?
Im dritten Semester meines BWL-Bachelors wählte ich Wirtschaftsinformatik (Winfo) als Pflichtmodul – mit der Einstellung: Hauptsache bestehen.
Doch die Tutorien machten mir so viel Spaß, dass ich Tutorin wurde und weitere Winfo-Kurse belegte. So wurde klar, dass ich meinen Master in Wirtschaftsinformatik machen wollte. Die Kombination aus BWL und Informatik hilft mir heute, technische und organisatorische Probleme zu lösen.
Gibt es etwas, das du gerne vor Beginn deines Studiums gewusst hättest, was dir bei deiner Entscheidung geholfen hätte?
Ich hätte gerne mehr technische Module im Winfo-Master belegt. Mein Rat: Wählt so viele technische Kurse wie möglich, auch wenn sie anspruchsvoll erscheinen!
Wie war dein Übergang vom Studium ins Berufsleben? Hattest du einen klaren Plan oder musstest du verschiedene Optionen ausprobieren?
Ich habe gegen Ende meines Masterstudiums bewusst ein Urlaubssemester eingelegt, um mir den Druck zu nehmen, ob ich eher an der Digitalisierung des Gesundheitswesens oder im Operations-Research-Bereich arbeiten möchte. Um das herauszufinden, habe ich zwei freiwillige Praktika für jeweils drei Monate gemacht. Letztendlich bin ich für den Rest meines Studiums beim zweiten Praktikumsplatz (Charité Universitätsmedizin Berlin) als Werkstudentin geblieben. Zum Berufseinstieg habe ich dann noch andere Optionen, z. B. in der IT-Beratung, erwogen.
Warum hast du dich entschieden, in einem Startup innerhalb der Charité zu arbeiten, anstatt in einem etablierten Unternehmen? Was reizt dich an der Startup-Kultur?
Die Möglichkeit, innerhalb der Charité als etablierten Arbeitgeber die dotbase medical GmbH zu gründen, verbindet die positiven Aspekte beider Welten. Besonders reizt mich am Gründungsprozess, dass man Prozesse und Strukturen von Grund auf aufbaut. Am meisten schätze ich jedoch unsere Unternehmenskultur, die nicht von Hierarchien, sondern von einem freundschaftlichen Miteinander geprägt ist.
Kannst du uns mehr über deine Rolle im Startup erzählen?
Meine Aufgaben sind vielseitig: Ich habe den Scrum-Prozess im Developer-Team optimiert, schreibe die Produkt-Dokumentation, entwickle unseren Support-Prozess und sorge für Quality Assurance bei Software-Releases. Zusätzlich beschäftige ich mich mit den regulatorischen Anforderungen für Medizinprodukte. Ob ich mich langfristig eher in Richtung Operations oder Product Management spezialisiere, ist noch offen.
Was unterscheidet euer Startup von anderen in der Branche, und was macht es besonders spannend, dort zu arbeiten?
dotbase wurde aus der Charité heraus gegründet und ist hier bereits in mehreren Kliniken produktiv im Einsatz. Aktuell installieren wir die Software bereits in anderen Krankenhäusern in Deutschland. Unsere flexible No-Code-Plattform ermöglicht es medizinischem Personal, maßgeschneiderte Workflows und Anwendungen zu erstellen – von der klinischen Dokumentation über das Patientenmanagement bis hin zur Fernüberwachung. Wir nutzen offene Datenstandards und Crowd Intelligence, um eine völlig neue Art von medizinischem Arbeitsplatz anzubieten. Am Ende wollen wir vor allem die vielen Ressourcen in der Medizin effektiver nutzbar machen.
Welche Herausforderungen hast du in einem Tech-Startup erlebt und wie bist du damit umgegangen?
Ich finde es herausfordernd, mich nicht mit unseren Entwickler:innen zu vergleichen, die reine Informatik oder ähnliche Fächer studiert haben. Unser Developer-Team besteht aus vielen talentierten Entwickler:innen, deren Programmierkenntnisse die meinen bei Weitem übersteigen. Doch ich habe gelernt, dass meine Stärken vor allem in prozessualen und organisatorischen Aufgaben liegen.
Wie wichtig findest du das Netzwerk und Mentoring für Frauen in der Tech-Branche?
Ein starkes Netzwerk und Mentoring unter Frauen ist sehr hilfreich, doch baut sich ein solches Netzwerk erst mit der Zeit auf. Mir hat es am Anfang geholfen, weibliche Vorbilder zu haben. Im Studium inspirierte mich besonders, dass Winfo von einer Professorin unterrichtet wurde und auch das Tutor:innen-Team aus vielen Studentinnen bestand, mit denen ich mich identifizieren konnte. Auch heute, in meinem Arbeitsalltag bei dotbase, werde ich von unserer weiblichen CTO angeleitet und gefördert.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten oder Eigenschaften, die man deiner Meinung nach mitbringen sollte, um in einem Tech-Startup erfolgreich zu sein?
Meiner Meinung nach sind Anpassungsfähigkeit und Proaktivität nützlich.
In Startups muss man oft verschiedene Rollen übernehmen und sich schnell auf neue Aufgaben einstellen. Wenn du diese Vielfalt als Chance begreifst, dann kannst du dein Aufgabenprofil proaktiv selbst gestalten.
Was würdest du Schüler:innen und Student:innen raten, wenn es um die Wahl eines technischen Studiengangs oder Moduls geht?
Just do it! Programmiererfahrung ist hilfreich, aber keine Voraussetzung.
Nutzt das Studium, um Neues auszuprobieren und eure Komfortzone zu erweitern. Am Ende zählen nicht eure Noten, sondern das Wissen und die Fähigkeiten, die ihr euch aneignet.
Coras Geschichte zeigt, wie wertvoll es ist, sich auszuprobieren, offen für neue Wege zu bleiben und sich nicht von Unsicherheiten abhalten zu lassen. Besonders in der Tech-Branche gibt es viele Möglichkeiten – und oft braucht es nur den Mut, den ersten Schritt zu gehen. Netzwerke und Vorbilder spielen dabei eine entscheidende Rolle. Übrigens: Auch Anna Spitznagel hat den Quereinstieg von der BWL in die IT-Branche gewagt und arbeitet heute in einem Tech-Startup. Ihr Interview findest du ebenfalls bei uns!