Anna Spitznagel ist nicht nur Co-Founderin und CEO von trail, einem Start-up im Bereich KI-Governance, sondern auch ein echtes Vorbild für junge Frauen, die sich für Tech und IT interessieren. Ihr Weg zeigt, dass es nicht immer einen geradlinigen Karriereplan braucht, um in der IT-Welt erfolgreich zu sein – vielmehr sind es Erfahrungen, Netzwerke und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, die den Unterschied machen. In diesem Interview erzählt Anna von ihren persönlichen Herausforderungen, den Meilensteinen ihrer Gründung und gibt inspirierende Einblicke, wie sie sich als Frau in der Tech-Branche behauptet hat.
Das ITgirl im Profil
Name: Anna Spitznagel
Position: Co-Founderin und CEO von trail
Traumberuf als Kind: Astronautin
Unternehmen: trail
Kannst du uns etwas über deinen persönlichen Werdegang erzählen und wie du dazu gekommen bist, trail zu gründen?
Mein Interesse an Start-Ups wurde geweckt, als ich nach dem Abitur angefangen habe in einem Start-Up in München zu arbeiten. Auch während meines BWL-Studiums an der LMU München habe ich immer parallel in unterschiedlichen Unternehmen gearbeitet und an der Uni am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik an Privacy-Themen geforscht.
Wie auch bei mir muss das Studium in vielen Fällen nichts mit der Berufswahl zu tun haben. Es kommt viel mehr auf die Erfahrungen an, die man währenddessen sammelt. Im letzten Semester habe ich dann am „CDTM" (Center for Digital Technology and Management) in München gestartet und bin durch Kommilitonen und verschiedene Projekte nochmal tiefer in die Welt der Start-Ups eingetaucht. Dort habe ich auch einen meiner beiden Mitgründer kennengelernt. Wir haben schnell gemerkt, dass wir unsere Begeisterung für „Responsible Technology" teilen und haben angefangen, an den Wochenenden an dem Thema zu arbeiten. Parallel hatte ich angefangen ersten Unternehmen beim Aufsetzen der KI-Governance zu helfen und spätestens da wurde uns klar, dass es für dieses Problem eine innovative technologische Lösung braucht – so ist trail entstanden!
Was hat dich dazu inspiriert, in die Welt der Tech-Startups einzutauchen, und warum gerade im Bereich KI-Governance?
Mich hat schon immer fasziniert, wie viel Impact man mit einem Produkt haben kann. Start-Ups bieten die Möglichkeit ein Problem, das man entdeckt hat, oder einem selbst widerfahren ist, über Technologie zu lösen und effizienter zu gestalten. Meine Mitgründer und ich haben die Probleme im Zusammenhang mit „Responsible AI" alle aus einer unterschiedlichen Perspektive selbst erlebt und mit trail ein Produkt entwickelt, dass sowohl technischen, als auch Compliance und Business-Stakeholdern gerecht wird.
Damit KI in Unternehmen skalieren kann, ist KI-Governance unabdingbar, um Qualität sicherzustellen und Risiken zu mitigieren. Zudem bietet sie die Antwort auf regulatorische Hürden. Unter dem Begriff versteht man die Umsetzung und Kontrolle von Frameworks, die eine Leitlinie für vertrauensvolle Entwicklung von KI bieten.
Das ist auch der Grund, wieso wir uns entschieden haben eine Software zu bauen, die die Möglichkeit hat alle KI-Produkte „responsible" zu machen, anstelle davon ein spezifisches vertrauensvolles KI-Produkt zu entwickeln.
Was hat dir auf deinem Gründungsweg besonders geholfen?
Die größte Hilfe, war mit Abstand das CDTM-Netzwerk. Hier habe ich auf der einen Seite viel inhaltlichen Input bekommen, aber auch Erfahrungswerte von anderen Gründer:innen, die man in keinem Buch findet. Der Austausch und das Netzwerk sind unglaublich stark und jede:r Einzelne ist super hilfsbereit und offen. Die Geschichten haben mich inspiriert und bestärkt auch selbst zu gründen. Ohne das CDTM hätte ich auch meinen Mitgründer nicht kennengelernt. Daneben waren meine Familie und Freunde immer sehr unterstützend und durch ganz andere Hintergründe und Berufe stets mit einer Vielfalt an Blickwinkeln sehr inspirierend. Auch Mentoren, z.B. aus dem UnternehmerTUM Netzwerk haben uns auf dem Weg durch Ratschläge und Mithilfe sehr geholfen.
Was hättest du gerne vor der Gründung gewusst?
Es gibt keine „One Size Fits All" Lösung für Start-Ups. Was bei anderen funktioniert, funktioniert bei einem selbst eventuell nicht, und andersrum. Man selbst ist am tiefsten im Thema und Produkt drin und obwohl „Best Practices" helfen können, sollte man am Ende den Weg wählen, der einem selbst die besten Ergebnisse zeigt, auch wenn er gegebenenfalls unkonventionell scheint.
Wonach suchst du bei den Menschen, die du für dein Team einstellst, und wie baust du eine starke Unternehmenskultur auf?
Motivation für das Thema, starke Eigeninitiative und Bereitschaft für Flexibilität – denn in dieser frühen Start-Up Phase ist oft wenig vorhersehbar. Vor allem bei den ersten Teammitgliedern achten wir darauf, dass sie im Bewerbungsprozess einmal das gesamte Team kennenlernen – um sicherzustellen, dass sie gut reinpassen. Wir haben eine super offene und integrierte Unternehmenskultur.
Egal wie stressig der Unternehmensalltag ist, der Mensch steht immer im Vordergrund.
Was ist dir bei der Leitung eines Teams besonders wichtig?
Konstruktives und offenes Feedback, Transparenz und Zusammenarbeit. Jeder hat die Verantwortung für seinen/ihren Aufgabenbereich, und durch offenen Austausch und Zusammenarbeit schafft man effiziente Ergebnisse ohne Micromanagement.
Was waren die größten Herausforderungen, denen du als Gründerin eines Tech-Startups begegnet bist, und wie hast du sie gemeistert?
Wie es alle immer sagen, ist der gesamte Alltag eine einzige Achterbahn – man versteht es aber erst, wenn man selbst in den Schuhen steckt. Es gibt keine Woche ohne Herausforderungen, aber daran wächst man enorm, sodass sie einem mit der Zeit immer machbarer erscheinen.
Welche Erfahrungen hast du als Frau in einer Führungsposition in der Technologiebranche gemacht?
Ich würde jeder Frau Mut zusprechen, sich alles zuzutrauen, dazu gehört es auch Führungspositionen einzunehmen. Denn Diversität auf oberster Etage ist unfassbar wichtig für gesamtheitliche Ergebnisse und eine gesunde Kultur. Viel zu oft haben Frauen noch große Zurückhaltung. Wenn man dann erst einmal in dieser Rolle ist, merkt man, dass alles machbar ist. Selbst wenn man anfangs vielleicht manchmal noch unterschätzt wird, kann man über Wissen, Handlungen und Ergebnisse immer überzeugen.
Welche Rolle spielen Mentor:innen für dich?
Wenn man einen passende und guten Mentor:innen findet, können diese extrem hilfreich auf der Reise sein. Sie unterstützen in alltäglichen „dummen" Fragen, die man sich sonst niemanden zu trauen fragt, helfen Türen zu öffnen und bewahren einen vor Fehltritten, die sie selbst schon gemacht haben. Es gibt so viele Dinge die stets neu sind und sich als Herausforderung auftürmen – Mentor:innen helfen mit ihren Sichtweisen und Erfahrungen dabei, gute und schnelle Lösungen zu finden. Ich kann jedem raten, sich 1-2 sehr passende Mentor:innen zu suchen und auch trauen, auf die Leute zuzugehen.
Welchen Rat würdest du jungen Frauen geben, die über eine Karriere in der IT-Branche nachdenken, aber zögern, weil ihnen die technische Ausbildung fehlt?
Das Studium oder die Ausbildung spielt in so vielen Fällen keine Rolle für den späteren Beruf. Es braucht immer noch viel mehr junge Frauen in der IT-Branche und es gibt viele Quereinstiegsmöglichkeiten. Oft bieten Start-Ups eine gute Chance, da hier auch unkonventionellere Lebensläufe gerne gesehen sind. Die kleine Schwester meiner besten Freundin hat mich letztens nach Rat gefragt, denn sie musste sich für den technischen oder wirtschaftlichen Ausbildungszweig entscheiden. Obwohl sie in ihrer Freizeit schon seit Jahren coded, haben all ihre Lehrer gesagt, sie soll den wirtschaftlichen Zweig nehmen, da sie hier auch schon die Vertiefung gewählt hatte.
Sie wusste nicht, was sie machen soll, und war total von ihrem Umfeld verunsichert – vor allem, weil sie das einzige Mädchen in ihrer Klasse ist, das coden kann. Ich habe sie gefragt, was sie denn wirklich machen will und da wurde schnell klar, dass es der technische Zweig ist, aber sie zu viel Angst hat und keine Vorbilder, die das Gegenteil beweisen.
Ihr wurde auch kein berufliches Potenzial aufgezeigt, dabei ist eine Karriere in Tech mit das vielversprechendste Berufsfeld der Zukunft und die Möglichkeit unsere Welt langfristig mitzugestalten. Ich habe ihr Vorbilder gezeigt, erzählt was für tolle Sachen man als „ITgirl" machen kann, sie ermutigt, den technischen Zweig zu wählen und ihr versichert, dass sie damit mit Abstand die Coolste von allen ist! Und in Führungspositionen oder in die Wirtschaft kann man damit auch alle Mal später noch.
Anna Spitznagel zeigt uns, dass es Mut, Motivation und die richtigen Netzwerke braucht, um in der IT-Branche erfolgreich zu sein – nicht zwingend eine technische Ausbildung. Ihre Geschichte ermutigt junge Frauen, neue Wege zu gehen, Herausforderungen anzunehmen und sich nicht von fehlenden Vorbildern abschrecken zu lassen. Die Tech-Welt braucht mehr Frauen, die mit frischen Ideen und Diversität die Zukunft aktiv mitgestalten. Dein Start in die IT beginnt genau hier – trau dich!