Gerlinde Schreiber ist Professorin an der Hochschule Bremen und Studiengangsleiterin für den Internationalen Frauenstudiengang Informatik (IFI). Sie erklärt uns, welchen Einfluss der monoedukative Ansatz auf junge Frauen hat und wie diese dadurch gestärkt in die Informatik Branche nach ihrem Studium einsteigen.
Das ITgirl im Profil
Name: Gerlinde Schreiber Position: Professorin Internationaler Frauenstudiengang Informatik (IFI)
Kannst du dich kurz vorstellen und erzählen, was du beruflich machst?
Ich bin promovierte Informatikerin und seit über 20 Jahren an der Hochschule Bremen, erst als Lehrende für einzelne Module, dann als Professorin, inzwischen seit über 10 Jahren als Studiengangsleiterin des Internationalen Frauenstudiengangs Informatik.
Was war dein erster Berührungspunkt mit der IT?
Ich habe Ende der 70er-Jahre in Hildesheim Abitur gemacht und direkt anschließend mit meinem Informatikstudium an der Uni Kiel angefangen. Damals war noch gar nicht klar, wie sich die Informatik entwickeln würde: Alles war neu und spannend – und ob man mit diesem Studium jemals Geld verdienen könnte, war nicht wirklich klar. Die Studierenden waren zum größten Teil an Mathematik und ihren Anwendungen interessiert und neugierig. Der Frauenanteil in der Informatik lag bei uns bei deutlich über 20% - ein Wert, der danach nicht wieder erreicht wurde: Die Informatik hatte noch kein Nerd-Image, Gaming war uns unbekannt, die Geschlechtsstereotypen für die IT hatten sich noch nicht entwickelt.
Wie kamst du damals an die Hochschule Bremen und speziell zum IFI?
Ich habe in den frühen 90ern an der Uni Oldenburg promoviert und hatte daher noch persönliche Kontakt nach Bremen. Dadurch habe ich erfahren, dass IFI in Gründung ist und habe mich sofort für eine Mitarbeit interessiert. Meine Kinder waren noch sehr klein, so dass ich erstmal nur auf Honorarbasis einzelne Lehrveranstaltungen übernommen habe und mich dann sukzessive mehr beteiligen konnte.
Was gefällt dir daran, jungen Frauen Informatik zu lehren?
Bevor ich bei IFI eingestiegen bin, war ich mehrere Jahre bei einem großen deutschen Konzern und hatte auch Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen und Universitäten. Insbesondere war ich 7 Semester an einer Technischen Uni.
In diesen 7 Semestern hatte ich in einer einzigen Lehrveranstaltung eine einzige Studentin.
Monoedukation kenne ich also gut, allerdings in der anderen Ausprägung. Die Lehre hat mir überall sehr viel Spaß gemacht. Bei IFI mag ich besonders, dass wir wirklich interaktiv sind, in den Lehrveranstaltungen miteinander ins Gespräch kommen, dass wir Fragen explizit wünschen.
Informatik ist nicht einfach und es ist ganz klar, dass man nicht alles sofort versteht. Dann sollte man sich aber nicht wegducken, sondern fragen. Und dazu ermutigen wir bei IFI und stellen sicher, dass sich niemand durch Fragen blamiert und dass Erfolg mit Konzentration und Hartnäckigkeit machbar ist.
Außerdem schätze ich unsere Internationalität sehr, wir haben weltweit über 300 Partnerhochschulen. Unsere Studentinnen müssen das 5. Semester im Ausland studieren und kommen weltgewandter und mit gewachsenem persönlichem und fachlichem Selbstbewusstsein zurück. Den Auslandsaufenthalt bereiten wir mit individuellen Beratungsgesprächen vor.
Warum wurde der Frauenstudiengang Informatik ins Leben gerufen?
IFI wurde im Jahr 2000 gegründet und 2016 durch eine duale Option ergänzt (d.h. die Studentinnen sind von vornherein bei einem Partnerunternehmen angestellt, verdienen vom 1.Tag ihr eigenes Geld und arbeiten in der vorlesungsfreien Zeit beim Partner, was den Berufseinstieg erleichtert). Für mich ist IFI vor allem ein Beitrag zur Teilhabe: IT prägt unser aller Alltag und es ist essentiell, dass an der Entwicklung von IT auch „alle“ beteiligt sind, d.h. dass IT-Produkte nicht nur von der klassischen Gruppe junger weißer Männer entworfen und entwickelt werden.
Wie war die Entwicklung des Studiengangs in den letzten Jahren?
IFI wurde über die ersten 5 Jahre von einer wissenschaftlichen Begleitforschung begleitet, um festzustellen, wie die Nachfrage, der Studienerfolg und die Arbeitsmarktchancen sind. Nach den erfolgreichen Ergebnissen wurde IFI ein Regelstudiengang an der Hochschule Bremen, angesiedelt in der Fakultät Elektrotechnik und Informatik und eng verknüpft mit den anderen Informatikstudiengängen. Zum Beispiel bieten wir gemeinsame Wahlpflichtveranstaltungen im 4. und im 6. Semester an, mit denen die Studierenden ihr persönliches fachliches Profil schärfen können. Dies wird durch ein Betriebspraktikum im 7. Semester ergänzt, in dem die Studierenden über 3 Monate in einem IT-Unternehmen ihrer Wahl den Berufsalltag kennenlernen. Hier sehen wir kontinuierlich, wie nachgefragt unsere Absolventinnen sind.
Mit einem guten Bachelorabschluss sind derzeit (2023) die Arbeitsmarktchancen beeindruckend (Richtwert: Auf 10 Bewerbungen kommen 8 Einladungen kommen 6 Stellenangebote).
Gleichzeitig muss man wissen, dass Informatik kein Selbstläufer ist und viel Engagement erfordert. Auch bei IFI liegt die Abbruchquote (wie in den anderen Informatikstudiengängen an der Hochschule Bremen und bundesweit) bei 30-50%.
Was sind die Stärken des Studiengangs?
Wir machen Mut, vermitteln das aktuelle IT-Wissen der Angewandten Informatik, verhelfen zu internationaler Erfahrung und bieten die Möglichkeit für hochwertige erste Kontakte zur IT-Wirtschaft (durch Projekte, Lehrende aus Unternehmen, Exkursionen, Betriebspraktika).
Wie sind die Reaktionen auf den Studiengang?
Häufig begegne ich staunenden Kommentaren, weil Monoedukation „irgendwie aus der Zeit gefallen“ zu sein scheint und junge Frauen doch alle Möglichkeiten hätten. Stimmt: Junge Frauen haben alle Möglichkeiten.
Aber das Bild der IT als Fach für junge Männer ist noch immer vorherrschend. Eine junge Frau, die IT als Berufsziel angibt, wird in ihrer Peer-Group keine Zustimmung bekommen, sondern skeptisches Staunen (Warum nichts Soziales / keine BWL / keine Medizin?). Dieses Staunen verinnerlicht sich zu Selbstzweifeln, ob ein technisches Fach denn wirklich das Richtige ist.
Und deshalb ist IFI so sinnvoll: Hier wird keine junge Frau angestaunt, weil sie Informatik studiert, hier darf und soll sie fragen, wenn etwas unklar ist, hier ist auch der Erfolg einer Studentin selbstverständlich (Warum sollte nicht eine Frau die Beste sein in Mathe / in Programmierung / in Rechnernetzen?).
Was würdest du anderen Mädchen mitgeben, die unsicher sind ob sie einen solchen Studiengang bewältigen können?
Einfach vorbeikommen und die Stimmung im Studiengang kennenlernen! Dann kann jede sich ihr eigenes Bild machen. Ich empfehle, entweder über „Rent a student“ der Hochschule Bremen einen Termin mit einer älteren IFI-Studentin abzumachen, die man dann einen ganzen Tag begleitet – oder mit mir einen Beratungstermin (auch online) abzustimmen.
In unserem Interview mit den zwei Studentinnen Manija und Sophie, erfährst du mehr über ihre Erfahrungen im IFI. Mehr zum Informatikstudium findest du auf unserem Blog.