Interview mit Studentinnen des Informatik Frauenstudiengangs

Manija und Sophie studieren Informatik im Frauenstudiengang an der Hochschule Bremen und berichten von ihren Erfahrungen, nur unter Frauen zu lernen.

Oktober 25, 2023

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Manija und Sophie sind Studentinnen im Internationalen Frauenstudiengang für Informatik (kurz: IFI) an der Hochschule Bremen. Der Studiengang ist mit seinem monoedukativen Ansatz bisher der einzige in Deutschland und ermutigt damit junge Frauen Informatik zu studieren. Wir haben die beiden interviewt, um herauszufinden, welchen Einfluss der Frauenstudiengang auf die Entwicklung der Studentinnen hat.

Das ITgirl Im Profil

Name: Sophie
Position: Duale Studentin Informatik
Traumberuf als Kind: Lektorin
Unternehmen: Dataport AöR

Das ITgirl im Profil

Name: Manija
Position: Studentin Informatik / Praktikantin bei Beiersdorf

Könnt ihr euch kurz vorstellen und erzählen, was ihr studiert?

Manija: Ich bin Manija und studiere Informatik im Frauenstudiengang an der Hochschule Bremen. Wir behandeln die normalen Inhalte eines Informatik Studiums und unser Curriculum beinhaltet insbesondere viel Softwareentwicklung.

Sophie: Moin, ich bin Sophie, 22 Jahre alt und studiere so wie Manija Informatik im Internationalen Frauenstudiengang für Informatik (kurz: IFI) an der Hochschule Bremen. Unser Studiengang ist deutschlandweit einzigartig darin, dass wir in den ersten Semestern nur monoedukative Vorlesungen haben, das heißt, wir sind ganz unter uns Frauen. Derzeit bin ich in meinem siebten Semester, welches bei uns für ein Betriebspraktikum und die Bachelor Arbeit reserviert ist. Als duale Studentin arbeite ich neben dem Studium in der vorlesungsfreien Zeit bei meinem Praxispartner Dataport AöR. Dadurch sammle ich bereits seit Beginn meines Studiums einschlägige praktische Erfahrungen und kann die Inhalte aus den Vorlesungen direkt anwenden und vertiefen. In der Hochschule gibt es keine Trennung zwischen dualen und nicht-dualen Studentinnen: Ich besuche die gleichen Vorlesungen wie meine nicht-dualen Kommilitoninnen.

Wie habt ihr von dem Studiengang gehört?

Manija: Ich habe durch eine Bekannte von dem Studiengang gehört und mich daraufhin über die Hochschul-Website weiter informiert. Wenig später bewarb ich mich bei der Hochschule mit IFI als erste Wahl.

Sophie: Ich habe von dem Studiengang tatsächlich erst bei meiner Suche nach einem Platz für ein duales Studium gehört. Bei meinem Praxispartner Dataport AöR. wurde das duale Studium der Informatik in Bremen entweder im Frauenstudiengang oder auch klassisch angeboten. Ich habe mich dann vor allem auch wegen des integrierten Auslandssemesters und dem Fokus auf Softwareentwicklung des Studiengangs für IFI entschieden.

Was für Unterschiede gibt es zwischen dem "normalen" Informatikstudium und dem Studium im Frauenstudiengang?

Sophie:

Leider gibt es immer wieder Vorurteile gegenüber unserem Studiengang, z.B. dass es große fachliche Unterschiede gibt und wir eben „nur Frauen Informatik” und keine „richtige“ Informatik studieren.So etwas wie „Frauen Informatik" gibt es nicht. Die Informatik, die wir lernen, ist genau die gleiche, die in anderen Informatik-Studiengängen gelehrt wird.

Die Unterschiede liegen eben darin, dass wir die ersten Semester monoedukativ unterrichtet werden und dadurch in einem „Safe Space“ lernen können. Außerdem werden für das Studium bei IFI keine Vorkenntnisse benötigt und jede wird da abgeholt wo sie steht. Das ist möglich, weil wir in kleinen Gruppen arbeiten, sagt aber nichts über die Qualität der Lehre aus.

Studentin beim Lernen von Informatik

Wann/Wie habt ihr gemerkt, dass ihr Informatik studieren möchtet? Was war euer erster Berührungspunkt mit IT?

Manija: Obwohl ich zur Schulzeit keine nennenswerten Berührungspunkte mit der IT hatte, hat sich in der Zeit danach ein Interesse bei mir entwickelt. Online gibt es inzwischen viele gute Lernplattformen für Anfänger, bei denen ich dann die ersten, wenn auch kleinen, Schritte in Richtung IT gemacht habe.

Sophie: Am Gymnasium hatte ich tatsächlich für ein Jahr lang Informatikunterricht, und dort bereits erste Berührungspunkte mit Java, der Programmiersprache, die wir im Studium am meisten verwenden. Nach der zehnten Klasse habe ich mich dann allerdings dagegen entschieden, Informatik auch in der Oberstufe weiterhin zu belegen. Ich hatte das Gefühl, gegenüber den anderen (natürlich fast nur Jungs) einfach zu weit hinterher zu hängen und nicht „gut genug“ zu sein. Erst nach meinem Abitur habe ich diese Entscheidung dann noch einmal hinterfragt, und mich doch wieder in Richtung IT orientiert.

Was hättet ihr euch gewünscht, um bei eurem Studium/eurer Entscheidung unterstützt zu werden? Was hättet ihr euch gewünscht, um bei eurem Studium/eurer Entscheidung unterstützt zu werden?

Sophie: Ich hätte mir gewünscht, und wünsche mir auch für junge Mädchen in der Zukunft, dass es einfach selbstverständlich ist, dass Frauen in technischen Bereichen wie in der Informatik arbeiten. Dass es mehr weibliche Vorbilder gibt, so dass sich junge Mädchen gar nicht mehr die Frage stellen müssen, ob die Informatik etwas für sie ist, „obwohl" sie weiblich sind.

Was gefällt euch/Was gefällt euch nicht an dem Studienfach? Was gefällt euch/Was gefällt euch nicht an dem Studienfach?

Manija:

Gerade beim Programmieren kann es auch mal passieren, dass man stundenlang an einer Aufgabe sitzt und grübelt. Andererseits gehört es auch einfach dazu und umso größer ist die Freude, wenn man es letztendlich doch schafft.

Sophie: An der Informatik gefällt es mir besonders gut, kreative Lösungen für Probleme zu finden. Ich finde es außerdem total spannend ein großes Projekt, welches total einschüchternd und nicht zu bewältigen scheint, in viele kleine Aufgaben zu unterteilen und dann zu sehen, wie sich die einzelnen Puzzlestücke zusammenfügen. Was mir nicht so gut gefällt, ist, dass die Fehlersuche manchmal wirklich sehr frustrierend sein kann. Eine hohe Frustrationstoleranz und Ausdauer gehört denke ich auf jeden Fall zum Informatikstudium dazu.

Seid ihr der Meinung, ihr hättet Informatik auch studiert, wenn es den Frauenstudiengang nicht gegeben hätte?

Manija: Ich hatte davor auch schon mit dem Gedanken gespielt, Informatik zu studieren, dennoch fiel mir die Entscheidung mit IFI leichter und ich bin überzeugt, dass es die beste Wahl war.

Sophie: Ich habe ja schon erzählt, dass ich von IFI erst durch meine Entscheidung, Informatik studieren zu wollen, gehört habe. Ich hätte mich also auch ohne unseren Studiengang für die Informatik entschieden.

Hat euch der monoedukative Ansatz auf irgendeine Art und Weise in eurer Weiterentwicklung geholfen? Wenn ja, wie?

Manija: Es hat auf jeden Fall geholfen zu wissen, dass wir als Frauen in einer männerdominierten Disziplin, viele von uns ohne Vorkenntnisse, im selben Boot sitzen.

Die Lernatmosphäre ist ganz anders, wenn man nicht befürchtet, als Frau herauszustechen, wenn man einen Fehler macht.

Sophie: Obwohl ich mich auch ohne den IFI Studiengang und dessen monoedukativen Ansatz für ein Informatikstudium entschieden hätte, bin ich dennoch sehr froh, hier gelandet zu sein. Die Tatsache, dass wir die ersten Semester lang nur unter uns Frauen sind, hilft Selbstbewusstsein in den eigenen Fähigkeiten aufzubauen, ohne sich ständig unter Beobachtung zu fühlen oder Angst zu haben, dass Fehler auf das Geschlecht zurückgeführt werden. Zwischen uns IFIs haben wir, finde ich, einen richtig guten Zusammenhalt, kennen die Stärken der Anderen und helfen uns gegenseitig. Ob das in einem gemischten Studiengang auch so wäre weiß ich nicht. Dank unserer kleinen Studiengruppen können wir außerdem von unseren Dozent*innen intensiv betreut werden, wovon wir sehr profitieren.

Wie empfandet ihr die Phase, in der euer Studiengang mit dem gemischten Informatik Studiengang zusammengelegt wurde?

Manija: Als die gemischten Kurse (ab dem dritten Semester) anfingen, habe ich mir schon ein paar Gedanken dazu gemacht, wie ich mich außerhalb unseres Studiengangs mache. Dadurch, dass ich bis dahin schon einiges an Vertrauen in die eigenen Kompetenzen aufgebaut habe, war es letztendlich eher wie eine Neugier und ich merkte schnell, dass IFI-Studentinnen definitiv nicht hinterher hängen.

Sophie: Als wir in meinem dritten Semester unser erstes Wahlpflichtmodul, und damit ein gemischtes Modul, hatten, war das für mich in der ersten Vorlesung erstmal etwas merkwürdig. Plötzlich waren da, nach zwei Semestern in denen ich nur mit den gleichen Kommilitoninnen studiert hatte, ganz viele Gesichter und Namen, die ich noch gar nicht kannte. Es war auch ein wenig Unsicherheit dabei, ob ich denn wirklich genug gelernt hatte, um mithalten zu können, und ob in das Studium außerhalb von unserem geschützten IFI Raum nicht ganz anders wäre. Diese Zweifel haben sich aber schon nach der ersten Vorlesung legen können – wir IFIs können mindestens genauso gut programmieren wie die „normalen“ Informatik Student*innen.

Welche Praxiserfahrungen habt ihr im Studium sammeln können und hat euch das in eurer Berufsentscheidung geholfen?

Manija: Neben der Praxisanteile in den meisten Modulen gibt es im sechsten Semester ein Doppelmodul, bei dem in Kooperation mit einem Betriebspartner ein Softwareprojekt durchgeführt wird. Da wir das Modul schon hinter uns haben, kann ich sagen, dass man in kurzer Zeit wirklich sehr viel lernt. Ich war am Ende des Projekts wirklich beeindruckt davon, was meine Gruppe geleistet hat.

Sophie: Der IFI Studiengang ist generell sehr praxisorientiert. Zusätzlich zu dem „Projekt“-Modul im sechsten Semester, in dem wir als Team ein echtes Entwicklungsprojekt für einen Betriebspartner realisieren, absolvieren alle Studentinnen, egal ob dual oder nicht, im siebten Semester ein Betriebspraktikum. Dazu gibt es noch die Möglichkeit so wie ich dual zu studieren. Im Rahmen meines dualen Studiums habe ich die Möglichkeit, in verschiedene Bereiche meines Praxispartners hineinzuschnuppern. Das ist für mich sehr wertvoll, weil ich so sehen kann, dass die Inhalte, die wir im Studium lernen, in der Praxis tatsächlich angewendet werden. Ich kann eigentlich fast immer Bezüge zwischen meinen Studieninhalten und Aufgaben in den Praxisphasen herstellen und mein Wissen so vertiefen. Nach meinem Studium möchte ich gerne als Entwicklerin weiterarbeiten. Außerdem plane ich, weiter zu studieren und nach Abschluss meines Bachelors auch einen Master anzuschließen. Den Master mache ich dann mit gestärktem Selbstbewusstsein in meinen Fähigkeiten in einem „normalen“ gemischten Studiengang.

Was würdet ihr anderen Mädchen mitgeben, die unsicher sind, ob sie einen solchen Studiengang bewältigen können?

Manija:

Als Frau ist man sich manchmal nicht bewusst, wie sehr man Stereotypen verinnerlicht hat und seine Erwartungen an sich selbst angleicht.

Ich selbst habe meine (für das Studium relevanten) Talente erst nach der Schulzeit entdeckt. Das Studium ist zwar anspruchsvoll, aber Frauen haben schon immer anspruchsvolle Aufgaben gemeistert, also wieso nicht auch ein Informatik Studium?

Sophie: Die Informatik ist ein sehr vielfältiges und interessantes Feld und definitiv keine Männersache. Habt keine Angst davor Fragen zu stellen und lasst euch von dem Ego eurer männlichen Kommilitonen nicht einschüchtern!

Mehr zum Informatikstudium findest du auf unserem Blog. Laura hat z.B. einen Artikel zu ihrem ersten Semester Informatik geschrieben.

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