Mein Bachelor Mensch-Computer-Interaktion

Anna hat dir einen Erfahrungsbericht über ihren Studiengang Mensch-Computer-Interaktion erstellt. Wie lassen sich Psychologie und Informatik verbinden?

Juni 29, 2022

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Du bist auf der Suche nach einem Bachelor im Bereich IT, weißt aber noch nicht genau welchen? Dann bist du hier genau richtig. Ich habe dir eine Übersicht meines Bachelors Mensch-Computer-Interaktion an der Uni Hamburg zusammengestellt. Dabei beschreibe ich wie das Studium aufgebaut ist, welches Wissen ich mitgebracht habe und was mir besonders gefallen oder an welcher Stelle es mir vielleicht an bestimmten Dingen gefehlt hat.

Wenn es um Mensch-Computer-Interaktion (MCI, eng. HCI) geht, denken viele vielleicht erstmal an Roboter oder ein grafisches User Interface. Dabei versteckt sich dahinter so viel mehr.

Wie bin ich auf den Studiengang Mensch-Computer-Interaktion aufmerksam geworden?

Auf die Idee einen Bachelor in MCI zu machen bin mehr durch Zufall als durch gezieltes Interesse gestoßen. Nachdem ich mich nach dem Abitur in diversen Bereichen ausprobiert habe, jedoch nirgendwo richtig begeistert war, habe ich mich weiter umgeschaut und den Bachelor MCI gefunden. Gerade die interdisziplinäre Ausrichtung des Studiengangs, welche Grundlagen der Informatik und Psychologie verbindet sowie die gestalterischen Designmodule, klangen so verlockend und neu für mich, dass ich, ohne zu zögern beschlossen habe die Segel neu zu setzen. Eine konkrete Vorstellung davon, was in dem Studium auf mich zukommen sollte, hatte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Ich würde den Schritt in Richtung IT jedoch jederzeit wiederholen.

Wie ist das Studium aufgebaut?

Ausgelegt ist der Bachelor MCI klassisch für 6 Semester, in denen 180 Leistungspunkte (LP) erbracht werden müssen. 75 LP fallen dabei in den (Wahl)Pflichtbereich Informatik, der Module wie Softwareentwicklung, formale Grundlagen der Informatik oder Grundlagen von Datenbanken beinhaltet. 49 LP sind für den (Wahl)Pflichtbereich Psychologie vorgesehen, wobei Module wie Allgemeine Psychologie, Sozialpsychologie oder Arbeits- und Organisationspsychologie belegt werden müssen. Die restlichen LP müssen in den Bereichen Mathematik, berufsqualifizierende Kompetenzen, im freien Wahlbereich und in der Abschlussarbeit gesammelt werden.

Da der freie Wahlbereich mit 28 LP recht groß ist, kann viel Einfluss auf die Gestaltung des Studiengangs genommen werden. Empfohlen werden MCI spezifische Module wie Interaktive-Computer-Grafik oder Einführung in die Bildverarbeitung, jedoch können ebenso andere Module aus (hauptsächlich) der Informatik gewählt werden. Da von Anfang an Psychologie einen großen Teil des Studiums einnimmt, um zu verstehen, wie Technologie für den Menschen bestmöglich entwickelt und gestaltet werden kann, liegt der Fokus stärker auf der Benutzungsschnittstelle als im reinen Informatik-Studiengang, der einen größeren Mathematik- und Technikanteil hat.

Studienaufbau Human Computer Interaction

Welches Vorwissen braucht man?

Vorwissen in Mathe, Informatik oder Psychologie braucht man für den Bachelor MCI nicht. Es werden jedoch Vorkurse in Mathe angeboten um das Wissen aufzufrischen, damit man bestmöglich in das erste Semester starten kann, indem Mathe direkt auf dem Programm steht. Ich selbst habe den Vorkurs nicht besucht, konnte aber gut folgen und die Klausur meistern. Vor der Prüfung werden in der Regel auch Tutorien angeboten, die das Wissen nochmal intensiv aufarbeiten, falls sich während des Semesters doch ein paar Wissenslücken aufgetan haben.

Auch Softwareentwicklung war mir vor dem Studium fremd. Ich hatte weder in der Schule noch in meiner Freizeit damit zu tun, dementsprechend aufgeregt und neugierig war ich, als ich in meiner ersten Vorlesung Softwareentwicklung 1 saß. Es hat sich aber schnell gezeigt, dass die Aufregung nicht unbedingt nötig war, da der Kurs in einem langsamen Tempo startete und auch Studierende wie mich, die keine Programmiererfahrung hatten, abgeholt hat. Zwar wurden die Übungen schnell auch komplexer und anspruchsvoller, mit ein bisschen Übung und dem nötigen Fleiß war aber auch das kein großes Problem.

Insgesamt würde ich behaupten, dass das Studium ohne jegliches Vorwissen gut machbar war. An einigen Stellen hat es vielleicht etwas mehr Vor- oder Nacharbeit gebraucht, aber wenn du motiviert und interessiert bist, sollte dir das nicht im Weg stehen.

Was hat mir besonders gefallen?

Da ich ein Mensch bin, der an vielen Dingen gleichzeitig interessiert ist, war die interdisziplinäre Art des Studium genau das richtige für mich. Die vielen verschiedenen Einblicke in Psychologie, Informatik und Design haben dazu geführt, dass kein Raum für Eintönigkeit oder Langeweile war.

Insbesondere das Wissen aus den Psychologiemodulen hat nicht nur für Abwechslung gesorgt, sondern auch meinen Blick auf IT im Ganzen geschult. Nicht nur habe ich gelernt, wie Menschen ticken und wie man dieses Wissen nutzt, um die bestmöglichen Technologien zu entwickeln, vielmehr habe ich verstanden, welchen Einfluss die IT auf die Menschen und die Gesellschaft hat. Module wie Sozialpsychologie oder Arbeits- und Organisationspsychologie erweitern das klassisch technische Wissen aus dem Informatik-Bereich um Erkenntnisse, die es braucht, um ein ganzheitliches Verständnis von IT in der praktischen Anwendung gewinnen zu können.

Darüber hinaus beinhalten viele der Psychologie-Module kleinere Fallstudien oder Experimente, die im Laufe des Semesters bearbeitet werden sollen. Dadurch konnte ich die Inhalte praxisnah erarbeiten und einen Eindruck von dem tatsächlichen Anwendungsfeld gewinnen. Außerdem kommt mit dem Psychologie-Anteil im Studium die Verpflichtung 30 Versuchspersonen-Stunden sammeln zu müssen. Das bedeutet, dass man an verschiedenen Experimenten und Studien von anderen MCI- oder Psychologie-Studierenden teilnehmen muss. Auch wenn nicht jede Studie super spannend ist, war es trotzdem eine coole Erfahrung mitzuerleben, wie Experimente durchgeführt und ausgewertet werden. Gerade MCI Studien beinhalten oft VR-Spiele oder Simulationen, machen Spaß und untersuchen spannende Forschungsthemen.

Insgesamt hat der Psychologie-Teil des Studiums dazu geführt, dass ich vieles zum Thema wissenschaftliches Arbeiten und Statistik gelernt habe, was mir auch in meinem jetzigen Master Informatik viel nützt.

Wie bereits erwähnt ermöglicht der große freie Wahlbereich eine flexible Ausrichtung des Studiums. Ich persönlich habe ganz frei gewählt und mich nicht auf die empfohlenen MCI Module beschränkt, da ich schnell gemerkt habe, dass mich die technischen, aber auch gesellschaftlichen Aspekte der IT mehr interessiert haben als der gestalterische Fokus. So habe ich etwa einige Module aus dem Bereich Ethics in IT gewählt, wo es unter anderem um emotionale KI oder selbstlernende Sprachmodelle ging. Über verantwortungsvolle Entwicklung von IT in kritischen Einsatzgebieten zu lernen, hat mein Wissen in vielerlei Hinsicht erweitert und vertieft. Ohne den großen freien Wahlbereich wäre ich wohlmöglich gar nicht erst auf diese Module der Informatik gestoßen.

Was hat mir gefehlt?

Obwohl es durch die Vielfältigkeit des Studiums, wie bereits beschrieben, nicht langweilig wurde, führte dies gleichzeitig dazu, dass Wissen in einigen Bereichen nicht richtig vertieft werden konnte, da viele LP bereits für Psychologie-Module reserviert waren. Gerade in technischeren Bereichen wie dem Programmieren hätte ich mir mehr Module gewünscht, um mehr Übung und Sicherheit zu bekommen. Natürlich ist es möglich im freien Wahlbereich nur technische Module zu belegen, dafür wären aber andere Fächer zu kurz gekommen, die mir dann doch zu wichtig waren. Im Informatik Bachelor etwa gibt es mehr mathematische und technische Grundlagenmodule, auf denen im freien Wahlbereich dann aufgebaut werden kann. Da im MCI Studium diese Grundlagen nicht verpflichtend sind, nehmen diese dann Platz im freien Wahlbereich weg, wenn man sie trotzdem belegen möchte.

Auch in den einzelnen Informatik-Modulen hat es mir manchmal an konkreter Übung und tiefgreifendem Verständnis gefehlt. Zwar gibt es meistens eine Übung zu der Vorlesung, in der dann praktisches Wissen gewonnen werden soll, häufig haben die diese aber nur wenig mit realen Anwendungen zu tun. Etwa im Modul Rechnerstrukturen und Betriebssysteme, sollen Grundlagen vermittelt werden. Die Übung dazu hat mir nur wenig über tatsächliche Rechnerstrukturen oder Assemblerprogrammierung beigebracht, vielmehr habe ich viel in verschiedenen Zahlensystemen gerechnet oder Computerbefehle in eine bestimmte Reihenfolge gebracht. Wie aber zum Beispiel Betriebssysteme funktionieren wurde nur kurz und nicht wirklich tiefgreifend behandelt, so dass das mitgenommene Wissen aus diesem Modul begrenzt ist.

Solche Erfahrungen habe ich leider in einigen Module gemacht, was ich schade finde, da ich mich meist darauf gefreut habe, etwas über die Themen und die konkrete praktische Umsetzung zu lernen.

Falls du dich für den MCI Bachelor interessierst mit der Aussicht wie ich anschließend den Master in Informatik zu machen, würde ich dir raten im freien Wahlbereich mehr Grundlagen Module zu wählen, damit du im Master nicht so viel nacharbeiten musst. Zwar funktioniert es für mich jetzt auch, ohne dass ich alle Grundlagen des Informatik Bachelors besucht habe, entspannter wäre es aber sicherlich hätte ich diese gehabt.

Welche beruflichen Perspektiven hast du mit MCI?

Genauso vielfältig gestaltet wie das Studium sind auch die beruflichen Perspektiven. Immer mehr Unternehmen sehen die Notwendigkeit Technologien für Menschen zu designen und dabei deren Bedürfnisse und Verhaltensweisen zu verstehen. Daher wird es immer attraktiver technisches Wissen mit psychologischem Wissen zu verknüpfen.

Mit einem Bachelor in MCI hast du also die Wahl: willst du dich weiter spezialisieren und mehr in Richtung Softwareentwicklung, Game Development oder Robotik gehen? Kein Problem! Oder willst du als UX-/UI-Designerin arbeiten, Konzepte, Interfaces, Architekturen und Technologien entwerfen, die perfekt auf die Nutzerinnen abgestimmt sind? Auch die Beratung steht MCI Studierenden offen. Dabei liegt es an dir, woran du Interesse hast. Ebenso ist es möglich in die Forschung zu gehen. Dafür hat etwa die Uni Hamburg einen eigenen Bereich in der Informatik: Das Human Computer Interaction (HCI) Lab, wo interessante Projekte erforscht und entwickelt werden.

Ich selbst habe während des Studiums als UX-Designerin gearbeitet, wobei ich viele Einblicke in spannende Projekte gewinnen durfte. Dabei habe ich Analysen der Zielgruppe durchgeführt, identifiziert was die Technologien auf welche Art und Weise für die Nutzer:innen tun sollen, wie es grafisch umgesetzt werden soll, damit es möglichst effektiv und effizient geschieht und in einigen Projekten diese Anforderungen dann selbst programmiert.

Insgesamt stehen dir mit MCI ähnlich viele Türen offen wie mit einem klassischen Informatik Bachelor. Es kommt sehr darauf an was du für dich entdeckst, worauf du dich spezialisieren möchtest und was du nach dem Bachelor machen möchtest. Vielleicht ist auch ein Master eine Option?

Eine Übersicht an Vorschlägen auf welche Masterstudiengänge du dich mit einem MCI Bachelor bewerben kannst habe ich dir im Folgenden zusammengestellt:

  1. Informatik
  2. Intelligent Adaptive Systems
  3. IT-Management und -Consulting
  4. Wirtschaftsinformatik
  5. Bioinformatik

Fazit zum Bachelor Mensch-Computer-Interaktion

Insgesamt hat mir mein MCI Bachelorstudium gut gefallen. Die Kombination der verschiedenen Fachbereiche hat den Einstieg in die Informatik abwechslungsreich und interessant gemacht. Ich habe das Gefühl eine breitere und umfassendere Sichtweise auf die IT bekommen zu haben, als ich es hätte durch ein reines Informatik Studium erlangen können. Außerdem habe ich viel über das wissenschaftliche Arbeiten, das Schreiben und Lesen von Forschungsartikeln, über Experimente und Studien gelernt, was in einem reinen Informatik Studium ebenfalls zu kurz gekommen wäre, mir aber zum Beispiel während der Bachelorarbeit zugutekam. Die damit einhergehenden Lücken im technischen oder mathematischen Bereich sind zwar vorhanden, lassen sich aber entweder schon während des Bachelors im freien Wahlbereich oder aber auch später mit ein bisschen Motivation und Fleiß auffüllen.

MCI ist der richtige Studiengang, für alle die es neben der klassischen Informatik ein bisschen bunter haben wollen. Egal ob man an User Experience- oder User Interface Design, Robotik, Game Development, Virtual- und Augmented Reality, der menschlichen Kommunikation und ihrem Verhalten, kritischen IT-Anwendungsfeldern oder KI interessiert ist – MCI bietet für all diese Bereiche spannende Einblicke und Lösungen

Weitere Inspiration findest du in unserem Artikel zu Zukunftsberufen und weitere Studiengänge der Informatik hier: Was ist Informatik?

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