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Wie Stellenausschreibungen Chancengleichheit fördern

In unserem Interview berichtet Marina von ihrem Weg in die IT und ihrer Studie, die Bewerbungsverfahren diverser zu gestalten.

Oktober 09, 2024

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Die geringe Repräsentation von Frauen im IT- oder auch MINT-Bereich war für Marina vermutlich eine der größten Hürden für den Berufseinstieg. Deswegen hat sie in ihrem Unternehmen eine Studie durchgefüht, um zu zeigen, wie Unternehmen Chancengleichheit fördern und mehr Frauen für IT-Berufe gewinnen können.

Das ITgirl im Profil

Name: Marina Szymanek
Position: Trainee IT, Digital & Analytics
Traumberuf als Kind: Prinzessin oder Lehrerin
Unternehmen: E.ON Energie Deutschland GmbH

Wie bist du in die IT-Branche gekommen und was hat dein Interesse an diesem Feld geweckt?

Mein Interesse für Technik hat sich tatsächlich erst im Laufe meines Studiums entwickelt. Ich war schon immer eher an Menschen als an Dingen interessiert. Mit stereotypischen „IT-Nerds“ oder „Bastlern“ an Hardwarekomponenten konnte ich mich nie identifizieren. Daher hatte ich mich in der Schulzeit auch nicht mit IT-Berufen beschäftigt. Andererseits begeistere ich mich schon immer für Logik und komplexe Probleme, weswegen ich mich nach dem Abitur für ein Studium in Wirtschaftsmathematik eingeschrieben habe.

Und während meines Studiums habe ich gemerkt, dass Programmieren vor allem ein Werkzeug ist – eine andere Sprache, um Logik auszudrücken.

Eine Sprache, mit der viele Probleme effizient gelöst werden können. Ich hatte in Data Science gearbeitet und war schnell von den selbstlernenden Fähigkeiten von künstlicher Intelligenz fasziniert. So konnte ich meine Begeisterung für Mathematik auch auf das Programmieren übertragen und bin inzwischen gerne ein „IT-Nerd“.

Welche Herausforderungen hast du als Frau in der IT erlebt und wie hast du diese gemeistert?

Die geringe Repräsentation von Frauen im IT- oder auch MINT-Bereich war vermutlich eine meiner größten Hürden für den Berufseinstieg. Denn IT ist so viel vielfältiger als es durch Stereotype scheint. Neben der klassischen Entwicklung gibt es auch viele analytische oder kommunikative Berufsbilder, welche ich erst durch mehr Kontakt mit der IT-Branche kennengelernt habe. Erst im Laufe des Studiums habe ich gelernt:

Man muss kein Sheldon Cooper sein, um in der IT zu arbeiten.

Und natürlich wurden meine technischen Kenntnisse zu Beginn gerne angezweifelt. Wenn ich beispielsweise im Studium neue Personen kennengelernt habe, wurde ich immer für eine Lehramtsstudentin gehalten. Ein reines MINT-Studium wurde mir nur selten zugetraut. Doch mit vielen Coachings im Traineeprogramm konnte ich mein selbstbewusstes Auftreten stärken und inzwischen wird an meinem Wissen nicht mehr gezweifelt. Wenn man an sich selbst glaubt, machen es auch andere.

Du hast in deinem Unternehmen eine Studie durchgeführt, um die Chancengleichheit zu erhöhen. Worum ging es in der Studie und was war das Ziel?

Wie in vielen IT-Abteilungen sind auch bei meinem Unternehmen Frauen in der IT häufig in der Minderheit. In einem Gespräch mit meiner Kollegin Diana Laubender hatte sie davon berichtet, dass sich nur wenige Frauen auf ihre Stellen im IT-Projektmanagement bewerben. Und auch bei meinem IT-Traineeprogramm ist der Anteil an Frauen deutlich geringer als in meinem MINT-Studium. Daher haben wir die Vision entwickelt, mit den Stellenausschreibungen ein breiteres und diverseres Publikum anzusprechen. Gemeinsam mit unserer HR Abteilung haben wir verschiedene Methodiken ausprobiert, um passendere Bewerbungen zu erhalten und gleichzeitig die Geschlechtervielfalt zu erhöhen. Wir wollten sowohl Frauen ermutigen, sich auf die IT-Stellen zu bewerben, aber auch Männer anregen, sich auf Positionen zu bewerben, in denen sie in der Minderheit sind.

Welche spezifischen Änderungen habt ihr in den Stellenanzeigen vorgenommen, um sie für ein breiteres, diverseres Publikum attraktiver zu gestalten?

Aufgrund von umfassenden Recherchen haben wir drei verschiedene Variablen einzeln und in Korrelation getestet, um die Stellenanzeigen zu optimieren. Als erstes hatten wir die Ausschreibungstexte umformuliert - von vielen kurzen Stichpunkten hin zu ausführlicheren Sätzen mit softeren Anforderungen. Außerdem hatten wir eine Beschreibung der Teamkultur und -dynamik ausprobiert und als letztes die Ausschreibungen vollständig geschlechtsneutral formuliert.

Wie haben sich diese Änderungen ausgewirkt?

Mit vollständig geschlechtsneutraler Formulierung konnten wir in unserer Studie die Bewerbendenzahlen am stärksten erhöhen. Es haben sich nicht nur mehr Frauen, sondern auch mehr Männer davon angesprochen gefühlt. Durch eine softere Formulierung der Anforderungen können insbesondere selbstkritische Personen angesprochen werden, wobei lange Sätze wiederum abschreckend wirken können. Bei der Beschreibung der Teamdynamik haben wir einen ähnlichen Zwiespalt erlebt: Viele Bewerbende fanden die zusätzlichen Eindrücke interessant und können sich besser in die Stelle hineinversetzen, doch es verlängert die Ausschreibung. Aufgrund der Stichprobengröße sind die Ergebnisse allerdings nicht signifikant. Es sind erste Erkenntnisse, aber wir empfehlen, diese in einer größeren Stichprobe zu validieren.

Welche Erkenntnisse habt ihr aus der Studie gewonnen? Welche konkreten Maßnahmen habt ihr getroffen?

Es gibt kein Geheimrezept, um ein Geschlecht besonders gut anzusprechen und auch das Geschlechterverhältnis auf dem Bewerbenden Markt können wir über Ausschreibungen nicht beeinflussen.

Aber unsere Wortwahl hat einen großen Einfluss darauf, wer sich mit einer Stelle identifizieren kann.

Daher braucht es fundierte Kenntnisse des Marktes, um die Stellenanzeigen individuell zu optimieren. Diana und ich hatten das Glück, dass unsere Personalabteilung sehr offen für neue Vorschläge ist. Für die Pilotstudie haben wir eng zusammengearbeitet und ein gemeinsames Projekt aufgesetzt. Auch unsere gewonnenen Erkenntnisse werden fortan umgesetzt. Zukünftig werden die Anforderungen noch präziser überprüft, die Inklusivität der Texte kontrolliert und die Beschreibung der Teamdynamik weiterverfolgt.

Was sind deiner Meinung nach die größten Hindernisse für mehr Frauen in IT-Berufen und wie können Unternehmen aktiv dazu beitragen, diese Barrieren abzubauen?

Meiner Meinung nach braucht es mehr Sichtbarkeit von Frauen in IT-Berufen, um das gesellschaftliche Bild neu zu gestalten. Das Berufsbild ist vielfältig und wir brauchen Teams mit diversen Hintergründen, um den wachsenden Anforderungen innerhalb der IT gerecht zu werden. Und natürlich können auch Unternehmen dazu beitragen. Sie können ihre Berufsfelder innerhalb der IT niedrigschwellig erklären und sich dabei an ein vielfältiges Publikum wenden. Auch Frauennetzwerke oder Mentoring Programme wie von der E.ON können aus meiner Sicht gute Werkzeuge sein, um die Sichtbarkeit zu erhöhen.

Marina Szymanek

Was würdest du jungen Frauen und Mädchen raten, die eine Karriere in der IT anstreben?

Lasst euch von Stereotypen nicht abschrecken.

Seid wissbegierig, glaubt an eure Fähigkeiten und nutzt speziell für Frauen angebotene Ressourcen.

Stärkt auch euer Selbstbewusstsein und habt Geduld – Herausforderungen sind Chancen zum Wachstum.

Das Gespräch zeigt, wie wichtig Diversität in der IT-Branche ist und dass durch gezielte Anpassungen in Stellenausschreibungen mehr Chancengleichheit erreicht werden kann. Marina hat nicht nur Hürden überwunden, sondern auch aktiv dazu beigetragen, den Weg für mehr Frauen in der IT zu ebnen. Ihre Erkenntnisse bieten wertvolle Ansätze für Unternehmen, um den Sektor offener und vielfältiger zu gestalten. Du interessierst dich für einen Einstieg in die IT, dann lies doch den Erfahrungsbericht von Manon zu ihrem dualen Studium in der Informatik.

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