Mathe ist ein Teamsport

Ich habe vor zwei Jahren meinen Bachelor of Science in Mathematik mit Ergänzungsfach Informatik an der Uni Hamburg abgeschlossen. In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse teilen.

Oktober 04, 2023

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Hallo, ich bin Julia und ich habe vor zwei Jahren meinen Bachelor of Science in Mathematik mit Ergänzungsfach Informatik an der Uni Hamburg abgeschlossen. In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse aus meinem Mathematikstudium teilen. Ich werde über meine Entscheidung, Mathematik zu studieren, sprechen, die Herausforderungen, die ich während des Studiums erlebt habe, und Tipps geben, wie man das Studium erfolgreich bewältigen kann. Ich hoffe, dass meine Perspektive angehenden Mathematikstudierenden helfen kann, sich auf ihr Studium vorzubereiten und sich in der Welt der Mathematik zurechtzufinden.

Das ITgirl im Profil

Name: Julia

Position: IT-Trainee

Unternehmen: T-Systems

Julia im Mathematik-Studium

Warum habe ich mich dazu entschieden, Mathe zu studieren?

Nun ja, zum einen hat mir Mathe in der Schule immer Spaß gemacht und fiel mir auch relativ leicht. Zum anderen wusste ich nach der Schule nicht wirklich, was ich machen möchte. Mir war aber klar, dass ich auf jeden Fall studieren will. Da dachte ich mir, mit Mathe kann man erstmal nicht viel falsch machen. Dazu kommt noch, dass meine Mutter auch Mathe studiert hat – allerdings nicht direkt nach der Schule, sondern mit Ende 30, nachdem sie zwei Kinder großgezogen hat, unter anderem um sich den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu erleichtern. Sie war immer eine große Inspiration für mich.

War das Studium so, wie ich es mir vorgestellt habe?

Die kurze Antwort: nein. Die lange Antwort: im Studium hat man eine komplett andere Herangehensweise an Mathematik als in der Schule. Das Level an Abstraktion ist viel höher, man spricht über Themen wie Unendlichkeit und komplexe Zahlen und führt Beweise. Ein Professor von mir in einem der Grundlagenfächer hat damals gesagt, er hält die Vorlesung so, dass auch eine Person, die noch nie in ihrem Leben etwas über Mathematik gehört hat, dem Stoff folgen kann. Man beginnt tatsächlich im Prinzip komplett von null und startet erst mal damit, zu definieren, was Zahlen überhaupt sind. Theoretisch ist also kein Vorwissen gefragt. Das Tempo ist allerdings ungemein schneller als in der Schule und so kann das Schulwissen doch hilfreich sein, um Konzepte schneller zu verstehen, auch wenn sie in der Uni dann auf eine andere Art und Weise betrachtet werden. Und wem die Inhalte aus der Schule vielleicht nicht mehr so präsent sind, keine Panik – vor Beginn des ersten Semesters gibt es einen Vorkurs, in dem nach Möglichkeit alle neuen Studierenden auf einen Stand gebracht werden sollen. Dieser Vorkurs ist optional, ich würde aber schon empfehlen ihn zu besuchen, allein um andere Erstis (Studierende im ersten Semester) kennenzulernen. Wenn man aber nicht teilnehmen kann oder im Vorkurs nicht alle Inhalte versteht, braucht man sich auch keine Sorgen zu machen, denn der Stoff ist eben keine Voraussetzung für das Studium.

Wie überlebe ich das Studium?

Man kann es nicht wirklich beschönigen – das Mathestudium ist kein einfaches Studium. Nicht umsonst gibt es teilweise in den ersten Klausuren der Grundlagenfächer nach einem Jahr Durchfallquoten von 70%. Aber es gibt einige Tipps, mit denen man seine Chancen auf jeden Fall deutlich erhöhen kann.

  1. Sucht euch Leute, mit denen ihr das Studium gemeinsam durchzieht. Mathe ist ein Teamsport. In den allermeisten Fächern muss man wöchentlich Übungsaufgaben abgeben, die korrigiert und bepunktet werden. Um die Klausurzulassung zu bekommen, sprich um die Klausur am Ende des Semester überhaupt mitschreiben zu dürfen, muss man dann insgesamt eine bestimmte Anzahl an Punkten erreichen, meistens um die 50%. Diese Übungsaufgaben gibt man allerdings nicht alleine ab, sondern in Gruppen zu zweit oder zu dritt. Nun könnte man natürlich auf die Idee kommen, dass jede Person eine oder zwei Aufgaben bearbeitet und aufschreibt und so die gemeinsame Abgabe entsteht. Das würde ich aber absolut nicht empfehlen. Zum einen sollte unbedingt jede Person jede Aufgabe bearbeiten, da dies die beste Lernmethode ist und zum anderen sollte man die Aufgaben wirklich auch gemeinsam bearbeiten. So kann man sich immer wieder gegenseitig Denkanstöße geben und meistens hat eine Person eine Idee, wenn jemand anders gerade nicht weiter weiß. Schon in der Orientierungswoche vor Beginn des ersten Semesters kann man richtig gut Leute kennenlernen, mit denen man eine Lerngruppe bilden kann. Erfahrungsgemäß werden hier Freundschaften fürs Leben geschlossen.
  2. Haltet euch in der Uni auf. Falls ihr in Hamburg studiert, wird es das TG im Geomatikum sein, das „geheime“ Stockwerk zwischen dem EG und dem 1. Stock, das man nicht mit dem Fahrstuhl, sondern nur durch das Treppenhaus erreichen kann. Hier gibt es Übungsräume mit Tafeln, in denen man gemeinsam die Aufgaben bearbeiten kann. Eigentlich immer halten sich hier auch Studierende aus den höheren Semestern auf, für die Ersti-Aufgaben eine willkommene Abwechslung sind, wenn sie gerade an schwierigeren Themen arbeiten. Im TG im Geomatikum in Hamburg (und wahrscheinlich auch in den meisten anderen Unis) gibt es darüber hinaus einen Fachschaftsraum, in dem Sofas und Regale mit Spielen stehen. Hier kann man super Leute kennenlernen, sich gegen kleine Spende ein Getränk genehmigen und einfach mal zwischendurch eine Pause machen oder den Abend ausklingen lassen. Hier ergeben sich die besten Gespräche und spontanen Spieleabende. 
  3. Macht euch mit dem FSR bekannt oder tretet sogar selbst bei, wenn ihr Lust habt. FSR ist die Abkürzung für “Fachschaftsrat”. Der FSR ist die Studierendenvertretung, die es an jeder Uni gibt. Der FSR setzt sich für die Belange der Studierenden ein und organisiert Events so wie Filmabende, Weihnachtsfeiern, Grillfeste, Spieleabende oder sogar eine Lernfahrt, bei der man ein gemeinsames Wochenende verbringt, um sich auf anstehende Prüfungen vorzubereiten. Den FSR könnt ihr als eure erste Anlaufstelle bei jeglicher Art von Fragen betrachten, ruhig auch schon vor dem Studium. Und falls der FSR mal eine Frage nicht selbst beantworten kann, weiß er auf jeden Fall, wen ihr stattdessen ansprechen könnt. Die Kontaktdaten findet ihr auf den Websites der Uni. Googelt dazu einfach den Namen der Uni und „FSR Mathematik“.
  4. Wählt die Module, auf die ihr selbst Lust habt und nicht die, die eure Freund*innen wählen. Im Mathestudium (zumindest in Hamburg) kann man bereits nach dem ersten Jahr bis auf wenige Vorgaben ziemlich frei wählen, welche Module man hören möchte. Hierbei sollte man wirklich nach den eigenen Interessen gehen. Die Richtung, in der man sich vertieft, kann schließlich auch maßgeblich die Themenwahl der Bachelorarbeit beeinflussen – und die Bachelorarbeit muss man nunmal alleine schreiben. Daher sollte man wirklich früh in eine Richtung gehen, die einen auch persönlich interessiert. Und wenn man erstmal keine Ahnung hat, welche Richtung das denn sein könnte, kann man sich auch sehr gut zu Beginn eines Semesters einfach zu mehreren Modulen anmelden und sich in den ersten paar Wochen während der Ummeldephase einfach von den Modulen wieder abmelden, die einem doch nicht so gut gefallen.
  5. Gebt nicht auf und bleibt dran. Mit ein bisschen Ausdauer, genug Motivation und einer Lerngruppe kann jede*r das Studium schaffen! Und lasst euch nicht davon entmutigen, wenn ihr eine Klausur vielleicht nicht im ersten Versuch besteht oder nicht die beste Note habt. Das ist völlig normal. Die Noten werden im Laufe des Studiums immer besser, vor allem wenn es mit der Zeit auch mündliche Prüfungen gibt (in denen schneidet man im Normalfall besser ab als in schriftlichen Prüfungen). Ich zum Beispiel habe in Analysis (das ist eins der Grundlagenfächer im ersten Jahr) eine 3,3 geschrieben und trotzdem am Ende einen Schnitt mit einer 1 vor dem Komma gehabt.

Was liebe ich an der Mathematik?

Nachdem man sich an die Umstellung der Herangehensweise an Mathematik in der Uni im Vergleich zur Schule gewöhnt hat, kann man Mathematik wirklich lieben lernen.

Mathematik ist exakt. Es gibt keine Grauzonen – alles muss und kann bis ins kleinste Detail begründet werden. Das kann am Anfang nerven, man lernt es aber nach einiger Zeit wirklich zu schätzen. Außerdem entdeckt man oft nach einigen Wochen oder auch in einem späteren Semester Zusammenhänge, die einem vorher überhaupt gar nicht klar werden. Dann bemerkt man plötzlich, was man eigentlich schon alles erreicht und gelernt hat.

Manchmal grübelt man stunden- oder sogar tagelang über einen Beweis, bis einem plötzlich unter der Dusche oder abends im Bett das entscheidende Detail einfällt. Das Gefühl, wenn dann am Ende wie bei einem Puzzle wirklich alles hinhaut und zusammenpasst, ist wirklich unvergleichlich.

Außerdem muss man im Mathestudium so gut wie nichts auswendig lernen und schreibt keine Hausarbeiten. Es geht darum, die Konzepte hinter Beweisen und Modellen zu verstehen. Auf Prüfungen bereitet man sich eher vor, indem man Aufgaben noch einmal bearbeitet und Probeklausuren durchrechnet, anstatt Inhalte aus dem Kopf herunterzubeten. Bis auf die Bachelorarbeit und vielleicht eine schriftliche Ausarbeitung eines Seminarvortrags muss man nichts, was einer Hausarbeit ähnelt, abgeben.

Zuletzt bleibt hier noch einmal der starke Zusammenhalt in einer Mathematikfachschaft zu erwähnen. Hier hilft wirklich jeder jedem und man steht bei Fragen nie alleine da. Das Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt sich natürlich vor allem durch eins: die gemeinsame Leidenschaft für Mathematik.

Und was hat das ganze jetzt mit Informatik zu tun?

Wenn man reine Mathematik studiert (anstatt zum Beispiel Wirtschaftsmathematik), muss man ein Ergänzungsfach wählen. Ich habe mich für Informatik entschieden. Ich habe dort Module gehört wie Grundlagen der Softwareentwicklung, Mensch-Computer-Interaktion und formale Grundlagen der Informatik. Hier waren teilweise Kenntnisse aus den mathematischen Modulen wirklich von Vorteil. Man wird immer wieder davon überrascht, für wie viele andere Naturwissenschaften Mathe eigentlich die Grundlage bildet. Gleichzeitig lernt man bereits ein Anwendungsgebiet von Mathematik kennen. Zuletzt findet sich in der Informatik auch das tolle Belohnungsgefühl wieder, das ich oben bereits erwähnt habe – wenn man lange an einem Stück Code herumtüftelt oder einen Bug sucht und dann nach einer gefühlten Ewigkeit endlich alles so funktioniert, wie es funktionieren soll, kann man ein richtiges Hochgefühl erleben.

Was kann ich mit einem Mathestudium anfangen?

Mathematik steckt eigentlich überall drin. Mathematiker*innen sind oft besonders gefragt wegen der Fähigkeiten, die sie im Studium erwerben, wie zum Beispiel Problemlösungs- und Abstraktionsvermögen, logisches und analytisches Denken und eine hohe Frustrationstoleranz. Konkrete Anwendungsfelder, in denen sich Mathematiker*innen häufig wiederfinden sind zum einen die IT, zum anderen der Finanzsektor (Banken und Versicherungen), Unternehmensberatungen, Statistik und Data Science in allen möglichen Bereichen oder die Forschung und Lehre.

Abschließend möchte ich sagen, dass das Mathematikstudium eine anspruchsvolle, aber lohnende Erfahrung ist. Die Umstellung von der Schul- zur Universitätsmathematik ist zunächst herausfordernd, aber mit Ausdauer und Motivation kann man sich schnell anpassen. Die Bildung von Lerngruppen und der Zusammenhalt in der Mathematikfachschaft spielen eine wichtige Rolle, um das Studium erfolgreich zu bewältigen. Die Universität bietet Ressourcen wie Übungsräume und einen Fachschaftsraum, die den Lernprozess unterstützen und eine angenehme Studienatmosphäre schaffen. Trotz der Schwierigkeiten und Rückschläge ist es wichtig, nicht aufzugeben und dranzubleiben. Mit genügend Einsatz und Leidenschaft wird man im Mathematikstudium erfolgreich sein und die Faszination für die Mathematik entdecken.

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Weitere Inspiration findest du in unserem Artikel zu Zukunftsberufen.

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