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KI für die Erkennung und Behandlung von Depressionen?

Hast du schon mal davon gehört, dass Künstliche Intelligenz auch im Bereich der Psychiatrie eingesetzt werden kann? Anna erklärt dir, wie das funktionieren könnte.

Oktober 11, 2022

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Hast du schon mal davon gehört, dass Künstliche Intelligenz auch im Bereich der Psychiatrie eingesetzt werden kann? Ich selbst finde die Verbindung von IT und Medizin super spannend und da mentale Gesundheit zum Glück zu einem immer wichtigeren Thema wird, habe ich mich am Ende meines Bachelorstudiums dazu entschieden, in meiner Bachelorarbeit zu untersuchen, wie KI Depression erkennen und vielleicht sogar behandeln kann. Wenn du neugierig geworden bist, dann lies weiter – ich habe dir zusammengefasst, was KI bewirken könnte und wie das Ganze funktioniert.

Warum überhaupt KI benutzen?

Am Anfang meiner Bachelorarbeit stand die Frage: Warum soll KI überhaupt im Bereich Depression genutzt werden? Fehlt es da nicht an Menschlichkeit und Empathie?

Schnell habe ich herausgefunden, dass die Zahl von depressiv Erkrankten immer weiter zunimmt und gleichzeitig der Bedarf an Behandlungen nicht gedeckt werden kann. Die Wartezeit auf einen Therapieplatz in Deutschland beträgt im Schnitt etwa 22 Wochen und das ist gerade für Menschen, die an Depression erkrankt sind, oft nicht leicht. Dazu kommt, dass in einigen Ländern die Versorgung von psychischer Gesundheit viel zu kurz kommt, gar nicht angeboten oder sogar verpönt wird.

Aber wie kann KI dabei konkret helfen ?

Zum einen könnten KI Technologien das Gesundheitssystem dadurch unterstützen, dass eine erste Diagnose gestellt wird, ohne dass Betroffene dafür Ärzt:innen aufsuchen müssen. Apple etwa forscht bereits an Möglichkeiten, wie genau das mithilfe von Smartphones funktionieren kann.

Dadurch würden Betroffene durch eine integrierte iPhone-Funktion eine erste Einschätzung über ihren Gesundheitszustand als Pop-up-Meldung bekommen, womit sie sich anschließend professionelle Unterstützung suchen können. Besonders da die mentale Gesundheit häufig immer noch stigmatisiert wird, könnte KI an dieser Stelle viel bewegen. Betroffene leiden meist unter Ängsten und Scham – sie trauen sich oft nicht, direkt Hilfe aufzusuchen. Ein erster Impuls könnte helfen, diese Gefühle zu überwinden und eine Therapie anzufangen. Wird dann eine Behandlung begonnen oder ist bereits im Gange, könnte KI auch therapiebegleitend eingesetzt werden. So könnten Ärzt:innen zum Beispiel ein sehr genaues Abbild der Symptome durch Smartphones oder Wearables der Patient*innen bekommen, also vergleichbar mit einem dauerhaften Symptomtagebuch. Auf Basis dessen können Behandlungspläne dann genau auf die Bedürfnisse der Patient:innen abgestimmt werden, wie es in der herkömmlichen ambulanten Therapie gar nicht möglich ist. Dazu kommt, dass gerade extreme Phasen der Depression schnell erkannt werden und Ärzt:innen somit unmittelbar eingreifen könnten oder das KI-System selbst Warnungen senden würde, sodass schlimmeren Verläufen und Suizidversuchen entgegengewirkt werden könnte.

Auch schon vor der Behandlung und Diagnose könnte KI der Psychiatrie helfen. Da es oft nicht leicht ist, Depression von anderen psychischen Erkrankungen zu trennen, könnte KI helfen Muster und Symptome zu erkennen, die die Forschung bislang nicht entdeckt hat. Das hilft natürlich bei der Behandlung, kann darüber hinaus aber sogar dazu beitragen, dass Depression vielleicht schon im Frühstadium erkannt und im besten Fall verhindert werden könnte.

Und technisch?

Da Emotionen eine zentrale Rolle im Bereich der Depression einnehmen, befasst sich die KI Entwicklung genau damit. Die Forschung zum Thema Emotionen und KI ist dabei sogar einem eigenen Forschungsbereich zugeteilt – dem Affective Computing oder zu deutsch der emotionalen Künstlichen Intelligenz. Die am weitesten entwickelten Technologien zur Emotionserkennung und somit zu Depressionserkennung sind heutzutage die gesichtsbasierte Emotionserkennung, die stimmbasierte Emotionserkennung, die Sentimentanalyse, also die Analyse von Text und Wearables, wie beispielsweise Smartwatches. Wird nun versucht, depressive Symptome mit Hilfe von KI zu entdecken, dann müssen zunächst geeignete Biomarker, also Anzeichen einer Erkrankung, identifiziert werden. Unter anderem werden dabei bestimmte Gesichtsausdrücke, Blicke, Sprechmuster, Worte und physiologische Daten ausgewählt, die Indikatoren für eine depressive Erkrankung sein könnten. Zum Beispiel haben Studien gezeigt, dass Menschen, die an Depression erkrankt sind, oft leiser, tiefer, monotoner, weniger und mit mehr Pausen sprechen oder auch weniger Blickkontakt suchen und häufig nach unten sehen. Dazu ist es unter anderem besonders wichtig klinisch validierte Ergebnisse zu verwenden, da es sich um medizinische Produkte handelt, die dazu noch in einem sehr sensiblen Bereich eingesetzt werden sollen.

Diese Daten werden dann genutzt, um verschiedene Machine Learning Modelle zu trainieren Depression richtig erkennen zu können. Das passiert meist mit sehr großen Datensätzen aus dem Internet. Es gibt aber auch spezifische Datenbänke, die zum Beispiel Fotos mit verschiedenen Gesichtsausdrücken oder Tonaufnahmen unterschiedlicher Stimmlagen enthalten, die für das Training genutzt werden.

Bei der gesichtsbasierten Emotionserkennung kann der Prozess zum Beispiel ganz grob in drei Schritte unterteilt werden. Zuerst wird analysiert, ob ein Gesicht vorliegt oder nicht. Dabei wird anhand von Gesichtskomponenten, wie beispielsweise der Nase oder den Augen, ein Gesicht ausgemacht. Anschließend können geometrische Merkmale wie etwa die Abstände zwischen wichtigen Gesichtspunkten, wie z.B Auge und Augenbraue, oder die Geschwindigkeitsvektoren dieser Punkte verwendet werden, wenn sich der Gesichtsausdruck verändert. Auf Basis dieser Merkmale können dann Klassifikatoren wie support vector machine, AdaBoost oder random forest genutzt werden, um aus den Gesichtspunkten Emotionen bzw. Biomarker einer Depression erkennen zu können. Am Ende soll der Algorithmus aussagen können, ob eine Depression vorliegt oder nicht oder je nach ML Modell, wie intensiv die Ausprägung auf einer Skala ist.

Weitere Forschung nötig

Aktuell wird zwar sehr viel an Depression geforscht, es ist aber genauso möglich, das Konzept auf andere Erkrankungen wie zum Beispiel Angststörungen oder Autismus zu übertragen. Zum Beispiel hat das Affective Computing Unternehmen Affectiva bereits 2017 eine Augmented Reality Brille für Kinder mit Autismus entwickelt, die mithilfe von Machine Learning Verfahren Emotionen identifiziert und den Träger*innen der Brille dann Tipps gibt, wie sie auf Gesichtsausdrücke wie Lächeln oder Stirnrunzeln reagieren können.

Jedoch ist mentale Gesundheit ein sensibles Thema. Gerade deshalb sollten ethische und gesellschaftliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI diskutiert werden. Sollte es vielleicht kritisch betrachtet werden, emotionales Verhalten zu analysieren und daraus Diagnosen abzuleiten? Was könnten entsprechende Tools für den Versicherungsmarkt bedeuten? Darüber hinaus werden insbesondere für das Machine Learning Training riesige Mengen an Daten benötigt, weshalb es wichtig ist, diese sorgfältig auszuwählen, damit Merkmale einer Depression anschließend bei allen Menschen richtig erkannt werden können. Aber auch Regulierungen, wie mit sensiblen Daten umgegangen werden soll und Zertifizierungen sind entscheidend, damit das Potential solcher Technologien voll ausgeschöpft werden kann.

Auch wenn KI viel Potential in der Psychiatrie hat, ersetzt die Technologie keine Psychater:innen oder Therapien, sondern soll vielmehr dem Gesundheitssystem unter die Arme greifen, die Behandlungsqualität verbessern und eine Therapie für Betroffene zugänglicher machen.

Mehr zum Thema MedTech findest du unter anderem in unserem Lexikon für Tech Trends.

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